Workshop 6: Römer-Basics "Wer wird Legionär?"

20.02.2019 Josef Mühlenbrock

Stiefel allein machen noch keinen Legionär. Um die Männer sowie die Frauen zu verkörpern, die ihnen nachfolgten, die um die Zeitenwende nach Germanien kamen und 9 n. Chr. in der Varusschlacht ein Ende fanden, das das Imperium von Spanien bis Syrien erschüttern sollte, ist auch ein breiteres Hintergrundwissen nötig. Während die eine Hälfte der Neu-Römer am 2. und  3. Februar weiter an ihren caligae arbeitete oder schon mit der wollenen Obertunika anfing, vermittelte Roland Mönninghoff alias Centurio Tiberius Cornificius Minutus von der I. Roemercohorte Opladen dem anderen Teil der Gruppe die Basics, die ein Römer braucht.

 

Tiberius Cornificius Minutus (Roland Mönninghoff von der I. Roemercohorte Opladen) erklärt an einer Replik des Grabsteins seines in der Varusschlacht gefallenen Standesgenossen Marcus Caelius die Rangabzeichen eines hoch dekorierten Centurios

Wer wird Legionär?

Nach der Heeresreform des Marius 107 v. Chr. wandelte sich die römische Armee in ein Berufsheer, das sich nicht mehr aus wehrpflichtigen Bauern, sondern aus Freiwilligen rekrutierte. Wer aber bewarb sich freiwillig um eine Aufnahme in der Armee? Meist Mittellose aus dem städtischen Proletariat, arme Handwerker oder überschüssige und vom Erbe ausgeschlossene Söhne. Viele lockte die gute und vor allem regelmäßige Bezahlung sowie die Aussicht auf ein eigenes Stück Land nach Ablauf der Dienstzeit. Wer Legionär werden wollte, musste aber im Gegensatz zu den Hilfstruppensoldaten das römische Bürgerrecht haben, kam also zur Zeit des Augustus meist von der italischen Halbinsel. Außerdem war ein Bürge aus den Reihen der Legionäre nötig, der für die „charakterliche Eignung“ des Bewerbers einstand. Da die Legionen ihren Nachwuchs aus der Provinz rekrutierten, in der sie (gerade) stationiert waren, konnte der sich der Rekrut zusammen mit der Legion, für die er sich bewarb, auch seinen Einsatzort aussuchen, wenn er die Reise nicht scheute. Nach eingehender Befragung verlässlicher Opferschauer haben wir uns für die XIX. Legion entschieden. Um uns vor das Aufnahme-Tribunal zu stellen, haben wir das sonnenverwöhnte Italien verlassen und uns nach Germanien begeben. Aber auch Frauen lassen sich in der Nähe eines Legionsstandortes nieder, wo einträgliche Geschäfte oder die Aussicht auf das Bürgerrecht durch eine Ehe mit einem Legionär locken, dem nach Ablauf seiner Dienstzeit das einmalige Recht gewährt wurde, als Römer eine Nicht-Römerin zu heiraten.

Schanzen, Wacheschieben, marschieren – der harte Alltag

Was machte den Alltag eines Legionärs aus? Wenn er nicht das Glück hatte, für längere Zeit in einem festen Standlager stationiert zu werden, wo er für vielfältige Aufgaben wie im Straßenbau oder der Arbeit auf den Gerstenfeldern für die Versorgung der Trosstiere und Reitpferde seine friedlichen Fertigkeiten unter Beweis stellen musste, hieß Legionär sein vor Allem eins: Marschieren. Auch wenn man mit den benagelten caligae auf gepflasterten Straßen ausrutscht, auf den meist geschotterten Straßen und in unebenem Gelände geben die Sohlen guten Halt. Schwerwiegender war dagegen die Tatsache, dass der Legionär sein Hab und Gut, seine Waffen, Werkzeuge, Kleidung, Kochutensilien, eine 3-Tages-Ration Getreide und posca (Essigwasser) etc. selbst tragen musste. Auch wenn er die Getreidemühle und das Lederzelt mit seiner acht Mann umfassenden Zeltgemeinschaft, dem contubernium, teilte und diese dafür ein Maultier mitführte, kamen so über 20, oder, wenn man die Schutzwaffen mitrechnet, über 40 kg zusammen. Nach dem Marsch musste dann noch das Lager errichtet werden. Das wichtigste Schanzwerkzeug war die dolabra, eine Kombination von Axt und Hacke, zum Fällen und Bearbeiten von Bäumen sowie zum Graben. Bisweilen wurden für die Lagerwälle auch noch Schanzpfähle, sogenannte pila muralia, mitgeführt. Wenn das Lager am Abend dann endlich stand, bedeutete das aber noch nicht, dass sich alle Legionäre dem wohlverdienten Schlaf hingeben konnten – in den Lederzelten war nur Platz für sechs Schilde respektive Betten, je zwei Legionäre aus jedem contubernium hatten eine der vier Nachtwachen zu übernehmen. 

Ehrgeizig, wie wir sind, haben wir uns daher entschlossen, uns für den nächsthöheren Rang zu qualifizieren, der vom Lagerbau und Wachdienst befreit, der des immunis. Neben den Hornbläsern und Sanitätern kommen dafür auch besonders schreibkundige Legionäre infrage.

Marschgepäck, dolabra und pila muralia; eine Centurie ritzte auf jedes pilum murale den Namen ihres Centurios (Minutus wunderte sich, dass dabei eine unglücklich verlaufende Lungenentzündung dieses Herrn den Namen nutzlos machen würde. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Pfähle nicht so oft wiederverwendet wurden?)

Papierkram: Von antiker Schreibschrift und versiegelten Wachstafeln

Auch wenn Papier erst ein Jahrhundert nach Augustus im anderen großen Imperium der Zeit, dem chinesischen Han-Reich, erfunden wurde, heißt das nicht, dass die römische Armee von jeder Bürokratie verschont blieb. Pergament hatte sich wegen seiner teuren, aufwendigen und wenig ergiebigen Produktion (aus Tierhäuten) noch nicht durchgesetzt. Weiter verbreitet waren das weniger haltbare und etwas brüchigere Papyrus aus dem Mark der gleichnamigen, hauptsächlich in Ägypten wachsenden Schilfpflanze, das als immer noch recht teure Importware aber meist nur für Bücher in Form von meterlangen Schriftrollen (volumina) verwendet wurde. Für andere Verwendungszwecke wie Briefe oder Listen wurden meist einfache Holztäfelchen (tabellae) verwendet, die, wenn sie zusätzlich mit rußgeschwärztem Wachs bedeckt waren, auch mehrfach beschrieben werden konnten. Bei Briefen konnte so die Antwort auf dieselbe Tafel geschrieben und diese an den Absender zurückgeschickt werden, was die Kosten für Vielschreiber senkte. Wenn mit Tinte auf Papyrus oder Holz geschrieben wurde, wurde meist eine aus Schilf geschnitzte Rohrfeder (calamus) verwendet, auf den Wachstäfelchen ein Griffel (stilus/stylus) mit einem spitzen Ende zum Einritzen und einem flachen und breiterem Ende zum Glattstreichen von bereits Geschriebenem.

Wachs ist nicht nur zum mehrmaligen Beschriften nützlich, es hilft auch, Dokumente vor unbemerkten Mitlesern zu schützen. Minutus hat uns ein typisches Beispiel hierfür mitgebracht. Als Offizier aus einer respektablen Familie hat er natürlich einen Siegelring. Wenn er eine geheim zu haltende Nachricht auf ein Bündel von mindestens zwei Wachstäfelchen geschrieben hat, und sie so zusammengebunden hat, dass die unbeschriebenen Seiten nach außen zeigen, umwickelt er diese mit einem Draht. Diesen knotet er dann in einer Siegelkapsel zusammen. Seine Siegelkapsel hat die Form einer kleinen Öllampe. Dann gießt er heißes, meist geschwärztes Wachs hinein und drückt sein Siegel darein. Anders als bei Wachssiegeln, die direkt auf das Dokument gedrückt werden, kann das Siegel so nicht mit einem heißen Messer unbeschädigt entfernt werden. Doch zur Zeit des Augustus hatten Daten-Piraten einen anderen Weg gefunden, unbemerkt mitzulesen. Sie erwärmten stattdessen den Draht, um ihn zu weiten und so das Bündel zu öffnen. Minutus’ Briefbündel sieht deswegen etwas anders aus: Seit der Zeit Neros musste der Draht durch zwei durch die Täfelchen gebohrte Löcher gezogen werden – 100% Datensicherheit!

 

Minutus hat aber nicht nur diese Wachstafeln für Briefe oder Notizen. Ebenso führt er eine Liste mit den Namen aller Legionäre seiner Centurie sowie eine Krankenliste. Da er sich genauer über die Germanen, seinen Feind, informiert sein möchte, hat er außerdem eine Papyrusrolle mit Tacitus’ Germania. Mangels gut geführter Buchhandlungen, die für Römer vertraute Exemplare verkaufen, hat er dafür ein in befremdlichen Kleinbuchstaben geschriebenes und eigenartig gefaltetes Exemplar in mehreren Wintern in allerschönster römischer Schreibschrift auf ein etliche Ellen langes volumen kopiert. Zusammengerollt nimmt das „Buch“ nicht mehr Platz in seiner Bücherkapsel (capsa) ein, als seine Karte von Germanien, die er auf Grundlage der Tabula Peutingeriana, einer mittelalterlichen Kopie einer Straßenkarte des römischen Reichs, angefertigt hat.

Alle Dokumente und Bücher aus Minutus’ capsa sind handgeschrieben bzw. selbst erstellt. Der Buch-“Titel“ steht bei Papyrusrollen auf einem titulum genannten Zettelchen oder Täfelchen.

Die kleinen Dinge des Alltags: von der Körperpflege bis zum Morgengebet

Dose mit Bimsstein-Pulver, Olivenöl, Duftöl auf Basis von Mandelöl und strigilis

Es sind aber nicht nur Bücher, die der Centurio als persönlichen Besitz mitführt. Als echter Wellness-begeisterter Römer hat er immer etwas Olivenöl zum Waschen dabei. Seife ist etwas für die Germanen. Ein Römer reibt stattdessen etwas Öl auf die Haut, deren Poren durch ordentliches Schwitzen geöffnet wurden – in den Thermen kann man dem in der Sauna oder auf dem Sportplatz nachhelfen –  und reibt dann etwas Bimsstein-Pulver darauf, um den Schmutz zu lösen, der bei einem Legionär auch mal etwas hartnäckiger sein kann – das perfekte Peeling! Das Öl-Schmutz-Gemisch wird dann mit einem gebogenen Schaber, einer strigilis, von der Haut gezogen. Danach kann man und natürlich auch frau sich mit Duftöl einreiben, wenn nicht noch der Sprung ins kalte, lauwarme oder heiße Nass folgt.

Schlageisen, Feuerstein und Zunder in Aktion

Wenn man nicht die Möglichkeit hat, sich in den Thermen aufzuwärmen, ist Feuer mit das Wichtigste. Zum Feuermachen nimmt man in der Antike meist einen Feuerstein, ein Schlageisen und Zunder. Durch schnelles Schlagen des Steines entstehen kleine Funken, die auf den Zunder fallen und dieses leicht brennbare Material entzünden sollen. Zunder ist ein Pilz, der an alten Buchen wächst. Da er sehrt hart ist, wird er am besten mit der Axt vom Holz geschlagen und weich gekocht, bevor er in Streifen geschnitten werden kann. Das Wasser nimmt dabei eine gelbbraune Farbe an, die sich nebenbei noch zum Färben eignet.

Lar, Genius und Isis-Fortuna

Das wohl intimste, das jeder Legionär mit sich führte, waren seine Götterstatuen für seinen Hausaltar. Welche Götter waren für die Römer im Alltag wichtig? Weniger die olympischen Götter, die eher für den offiziellen Staatskult wichtig waren, sondern die Penaten und Laren, die Haus- bzw. Familiengötter. Jeder Tag eines Römers begann meist mit einem Opfer an diese. Minutus hat die kleine Bronzestatue eines Laren mitgebracht, der an seiner überweiten Tunika und seinem ausgelassenem Tanzsprung zu erkennen ist. Durch diese Statue führt er dem Volksglauben gemäß die Geister seiner verstorbenen Angehörigen immer mit sich, da diese in den Lar übergehen. Neben dem Lar hat er seinen Genius, seinen persönlichen Schutzgeist, der mit ihm geboren wurde und mit ihm stirbt. Als Dritte im Bunde führt er seine Lieblingsgottheit mit sich, Isis-Fortuna, eine Verschmelzung einer griechisch-römischen und einer ägyptischen Gottheit. Da die Göttin ihm bereits Glück gebracht hat, hat er ihr eine silberne Kette gekauft.

Wir Legionärs-Anwärter überlegen noch: Welche Götter wären wohl geeignet, um uns für unseren Dienst bei der XIX. zu schützen?

Julian L., 24 Jahre, aus Bocholt

Kategorie: Römer für Aliso