Reenactment in Zeiten von Corona: Exkurs Taschen

10.07.2020 Bianca Kühlborn

Corona und das Taschenfieber

Marc, alias Marcvs Rvfinivs Martialis

ich bin Marc, alias Marcvs Rvfinivs Martialis und gehöre ebenfalls zu den tapferen „Römern für Aliso“.

Unsere Reenactment Gruppe wurde im Jahr 2018 im Zuge des 25. Jährigen Jubiläums des LWL-Römermuseums ins Leben gerufen. Insgesamt fanden sich 23 Mitstreiter und Mitstreiterinnen zusammen, die fortan den Weg der römischen Legionäre oder das Leben der Frauen in augusteischer Zeit nachempfinden wollten. Aufgrund weitreichender Unterstützung durch die I. Roemercohorte Opladen und die LEG XIX COH III sowie die von ihnen angeleiteten Workshops machte unsere Truppe, die LEG XIX COH I, rasch Fortschritte. Das Wissen und die Erfahrung der beiden bekannten Kohorten sorgten dafür, dass wir viel Wissen ansammeln konnten und auch mit unserer eigenen Ausrüstung überraschend schnell vorankamen – weit schneller als man anfänglich hätte vermuten können.

Bereits damals konnte ich das Projekt für mich durchweg mit dem Wort „ansteckungsgefährdend“ beschreiben.

Zur Verwunderung meiner Familie setzte ich mich auch zu Hause vermehrt mit Stoffen auseinander und verbrachte den ein oder anderen Abend nähend vor dem Fernseher. Später lösten Lederarbeiten die Arbeit mit Stoffen ab. Auch wuchs die Anzahl meiner Bücher stetig, sodass ich gezwungen war, mein heimisches Arbeitszimmer vollkommen neu zu organisieren.

Abendliche Näharbeiten vorm Fernseher

Die Ansteckung mit dem „Römer für Aliso“-Syndrom führte dazu, dass wir Rekruten und Römerinnen regelmäßig im LWL-Römermuseum eintrafen, um dort unsere eigenen Ausrüstungsgegenstände herzustellen. Wie bereits in diesem Blog beschrieben, stießen wir bei einigen Arbeiten an unsere Grenzen, während andere uns zuvor ungeahnte Fähigkeiten oder Begabungen enthüllten.

Während der besorgniserregenden Verbreiterung des Coronavirus, das zeitweise zu einem eingeschränkten Lockdown führte, zeigten sich bei einigen Rekruten und Römerinnen weitere, zum Glück harmlos verlaufende Krankheiten. Mich selbst erwischte dabei Ende 2019 etwas, das man mit Fug und Recht als „Taschenfieber“ bezeichnen könnte.

Was ist eigentlich unter dem Begriff „Taschenfieber“ zu verstehen?

Die Ursachen meines „Taschenfiebers“ sind wohl eher harmlos zu nennen. Viele Veranstaltungen ermöglichten uns Einblicke in die Ausrüstung und den Austausch mit anderen Reenactment Gruppen. Dabei wuchs unser Interesse daran, unsere Ausstattung ebenfalls zu komplettieren. Und obgleich unsere eigene Legionärsausrüstung zunehmend Gestalt annahm, gab es ein nicht zu unterschätzendes Problem. Bereits bei vielen Veranstaltungen stellte sich mir die Frage: „Wohin mit kleineren Objekten und Gerätschaften?“ Es fehlte uns eindeutig an zweckmäßigen Taschen, um dem Legionärsdasein ohne Einschränkungen nachgehen zu können.
In diesem Problem und dem Interesse es zu lösen, erkenne ich heute den Ansteckungsherd, der im weiteren Verlauf im „Taschenfieber“ endete.
 

Also beschloss ich mich mit dem Thema Taschen zu beschäftigen. Doch bereits zu Beginn stellten sich mir mehrere Fragen: „Welche Taschen lassen sich in augusteischer Zeit verorten? Welche Typen gab es und wie wurden sie getragen? Welches Leder wird für die Herstellung benötigt und wie werden die Taschen zugeschnitten und genäht?“

Es wurden Bücher gekauft und Darstellungen sowie Überlieferungen studiert. Der wichtigste Impuls kam von unseren Freunden und Mentoren der anderen Römerkohorten, insbesondere durch Wolfgang von der LEG XIX COH III. Seine weitreichende Erfahrung zum Thema war Ansporn genug, sich selbst einmal an der Herstellung einer Tasche zu versuchen.

 

Das große Nähen beginnt!

Taschenfieber und Corona – Was hat das eigentlich miteinander zu tun?

Eigentlich ist die Zusammenführung beider Bereiche eher zufällig entstanden, aber dennoch muss sie in Abhängigkeit zueinander betrachtet werden.

Aufgrund des eingeschränkten Lockdowns war es unmöglich, sich in der Truppe zu treffen und gemeinsam an der Ausrüstung zu arbeiten. Daher kam es zwangsläufig zu einem eher tristen zu Hause sitzen und abwarten.

Wie viele andere versuchte ich, in Relation zum Home-Office die freie Zeit ebenfalls für andere nützliche Aktivitäten zu nutzen. Das stundenlange Ausharren in Videokonferenzen und am PC verlangte, nach dem verdienten Feierabend, einen praktischen Ausgleich. In Kombination mit dem „Römer für Aliso“-Syndrom begann mein Versuch, das Übel mit dem Nützlichen zu verbinden.

Der Umstand, dass noch genügend Leder zu Hause war - ich hatte mich bereits frühzeitig für Projekte eingedeckt aber letztlich nie Zeit für die Umsetzung gehabt - führte schließlich zu meinem „Taschenfieber“ und zur Herstellung von zwei unterschiedlichen Taschen.

Die Pera ist eine Tasche für das Marschgepäck (in Anlehnung an eine Darstellung auf der Trajanssäule)
Meine kleine Gürteltasche

Und weil ich schon im Nähfieber war, nähte ich zu guter Letzt auch noch einen Mantelsack aus Leder für mein Marschgepäck.

Mantelsack aus Leder für das Marschgepäck

Ein Vorteil meines „Taschenfiebers“ bestand sicherlich darin, dass eine Ansteckungsgefahr in Form von Bildern auf Social-Media-Kanälen zwar minimal vorhanden, aber die Zahl der Infizierten stets übersichtlich war. Auch ging eine Heilung relativ rasch vonstatten, insbesondere da dieses spezielle Fieber spätestens mit dem Ausschöpfen des Ledervorrats eigenständig abklingt.

Insgesamt hat diese Erkrankung für mich ein überaus erfolgreiches Ende genommen. Dank der Erfahrungen und Erinnerungen an mein „Taschenfieber“ konnte ich tatsächlich etwas Positives aus der schweren Zeit in der Corona-Krise mitnehmen.

Valete!

 

Marc (alias Marcvs Rvfinivs Martialis), 41 Jahre alt, aus Haltern am See