Reenactment in Zeiten von Corona: Exkurs Modellbau (1)

15.04.2020 Bianca Kühlborn

Modellbau einer Lorica Segmentata

Salvete lectores et lectrices,

mein Name lautet Oliver, alias Qvintvus Flavivus Alpinvus. Ich bin einer der stolzen "Römer für Aliso". Ein Veteran, der bereits seine Pflichtzeit in der Legion abgedient hat, jedoch trotz allem der Truppe treu bleibt. Vor der Corona-Virus-Lage konntet ihr mich hin und wieder bei Veranstaltungen oder den neuen Familiensonntagen im LWL-Römermuseum antreffen. Doch dann änderte sich alles!

Oliver, alias Qvintvus Flavivs Alpinvs samt Wachhund

Aufgrund der Pandemie fand jegliches Reenactment nur noch zu Hause statt. Es gab keine Besuche mehr im Museum, keine Workshops oder Zusammenkünfte mit meinen Kameraden, nichts dergleichen!
Wie auch meine Legionärsgenossen saß ich also in meiner freien Zeit Zuhause, und während mein gefährlicher Wachhund Haus und Hof bewachte. verbrachte die Zeit mit lesen, lesen und noch mehr lesen.

Der Schwerpunkt meiner Recherche lag dabei auf dem Schienenpanzer, der so genannten lorica segmentata. Aber natürlich beschäftigte ich mich nicht nur mit der Literatur. Nach einiger Zeit beschloß ich mich einer besonderen Herausforderung zu stellen: Dem Bau eines eigenen Brustpanzers aus einem für die Römer absolut innovativem Material: Pappe!
Dieser Panzer kombiniert zwei meiner großen Leidenschaften — das Reenactment und den Kartonmodellbau.

Damit ihr euch ebenfalls eure eigene lorica segmentata bauen könnt, habe ich zwei Bauanleitungen für euch vorbereitet. Dabei könnt ihr in der Farbgebung zwischen einem neu-glänzenden- und einem etwas älter wirkenden Schienenpanzer wählen.

Der Brustpanzer ist zwar nur 9 cm hoch und besteht aus Pappe, aber damit ist er immerhin weder schwer noch nimmt er viel Platz in Anspruch.

Im weiteren Artikel findet ihr eine ausführliche, bebilderte Anleitung zum Panzerbau und könnt damit mit eurem Panzer Marke Eigenbau auch gleich loslegen.

Viel Spaß beim Bau eines eigenen Schienenpanzers!
Download: Modellbaubogen glänzende segmentata
Download: Modellbaubogen ältere segmentata

Original oder Pappe, das ist hier die Frage.

Da ihr sicher schon einiges über die Projekte von uns "Römern für Aliso" gelesen habt, möchte ich euch stattdessen etwas über mein zweites Hobby erzählen.

Kartonmodelle baue ich bereits seit einigen Jahrzehnten. Alles begann mit dem Bau von Plastikmodellen. Nach und nach begab ich mich jedoch auf die Suche nach etwas anderem, spannenderem und so fand ich mich letztlich beim Kartonmodellbau wieder.
Meine ersten Modellvorlagen stammten aus verschiedenen Verlagen. Teilweise bestanden sie aus über 1000 Teilen und hatten im fertigen Zustand eine Größe von bis zu 1,5 m.
Könnt ihr euch vorstellen wie lange ich daran gearbeitet habe? Die unbeugsamen Gallier Asterix und Obelix würden bei so viel freiwilliger Arbeit sicher erneut sagen: „Die Spinnen die Römer!“. Verständlicherweise!

Um selbst entscheiden zu können, wie groß ein Modell werden soll und eine größere Motivauswahl zu haben, entschied ich mich dazu Zeichnungen und Konstruktionen in einem von mir gewählten Maßstab und mit wenigen Teilen selbst anzufertigen. Dafür flatterte ein Zeichenprogramm für den Computer ins Haus und schon konnte fleißig gezeichnet, konstruiert, ausgeschnitten und geklebt werden.
Eine für mich damals wichtige Erkenntnis bestand darin, bevorzugt mit eckigen Teilen zu arbeiten, da sich diese einfacher ausschneiden und zusammenkleben lassen.

Hier ein kleiner Einblick in bisherige Bauvorhaben unseres Römerrekruten: 1. Hafendiorama mit Segelschiff; 2. Russisches Schnellboot; 3. CH 53 Hubschrauber (Marines); 4. HMMWV; 5. Römisches Messinstrument (Corobates); 6. Römischer Legionärshelm Typ Weisenau; 7. CH 53 Hubschrauber (UN); 8. „The Time Machine“; 9. Starsky & Hutch (Ford Torino); 10. Römisches Schwert (Gladius)

Bevor wir mit dem eigentlichen Modellbau der lorica segmentata beginnen, möchte ich euch zuerst ein paar Hintergrundinformationen zu diesem Körperschutz vermitteln.

Obgleich sich die frühsten Abbildungen der lorica segmentata erst auf der Trajanssäule in Rom befinden, konnte anhand von Bodenfunden aus dem Legionärslager von Dangstetten (ca. 15 bis 9 v.Chr.) nachgewiesen werden, dass dieser Rüstungstyp bereits früher von Legionären eingesetzt wurde. Das bereits zuvor getragene Kettenhemd (lorica hamata) wurde jedoch zu keiner Zeit vom Schienenpanzer verdrängt. Stattdessen endet die Nutzung des durch ein Spangensystem beweglichen Körperpanzers bereits wieder im frühen 3. Jahrhundert, während das Kettenhemd, selbst über das Ende des Römischen Reiches hinaus, stets Verwendung fand.

Aufgrund der flexiblen Schienen schiebt sich der Panzer beim Ablegen ineinander. Foto: LWL/ B. Kühlborn
Ein Legionär in lorica segmentata. Foto: LWL/ J. Mühlenbrock

Kurz zeige ich euch, wie ich die Einzelteile der segmentata konstruiert habe. Danach ist bereits Schluss mit der Theorie und der Praxisteil beginnt!

Der grundlegende Ablauf beim Bau eines Kartonmodells ist immer gleichbleibend.

Die drei wichtigsten Arbeitsschritte lauten:

1. Konstruieren/Zeichnen nach Bildern aus dem Internet/Literatur

2. Die gezeichneten Teile mit passenden Texturen belegen

3. Das Modell zusammenbauen

1. Das Konstruieren und Zeichnen

Für die Konstruktion der einzelnen Objektteile arbeite ich mit dem Zeichenprogramm CorelDraw X3.

Hier seht ihr meine Entwürfe der unterschiedlichen Panzerteile und die dazugehörigen Riemen und Schnallen.

Die Einzelteile des Grundpanzers ließen sich besonders schnell und einfach zeichnen, da sie größtenteils aus langgezogenen Rechtecken bestehen. Eine Ausnahme bildete hier jedoch der Kragenschutz, der deutlich komplexer aufgebaut ist.

Auch die Details habe ich bereits in diesem ersten Schritt gezeichnet. Hierbei ist es mir wichtig möglichst detailiert zu zeichnen und dauerhaft im richtigen Maßstab zu bleiben. Denn nur so passt das Modell hinterher auch vollständig zusammen.

 

Abschließend füge ich Markierungen für die einzelnen Details in die fertigen Rüstungsteile ein. Diese Markierungen zeigen hinterher an, wo die Riemen, Schnallen und Scharniere befestigt werden müssen.

2. Einzelteile mit Texturen belegen

Wie oben beschrieben, suche ich im zweiten Schritt nach der passenden Textur für die unterschiedlichen Materialien und lege diese über meine Zeichnungen. Hier seht ihr die Farbtexturen für die neu-glänzende lorica segmentata.

Und siehe da, aus schwarz-weiß wird bunt.

Da jetzt alle Baueile mit Texturen versehen sind, müssen sie im nächsten Schritt ausgedruckt werden. Dafür habe ich 2 Din A4 Kartons mit einem Gewicht von 160 Gramm in den Drucker eingelegt. Die Dicke des Kartons sorgt dafür, dass sich das Modell gut verarbeiten lässt und hinterher stabil steht.

3. Werkzeuge und Hilfsmittel für den Kartonmodellbau:

Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Werkzeuge und Hilfsmittel, die ihr für euren Kartonmodellbau verwenden könnt. Hier zeige ich euch, was ich zumeist für den Bau meiner Modelle benutze.

Wie ihr sehen könnt, handelt es sich größtenteils um einfache Hilfsmittel, die in nahezu allen Haushalten vorhanden sind.

Mit der Schere oder dem Skalpell schneide ich nun die zuvor gedruckten Teile aus. Dabei nutze ich die Schere insbesondere für größere und unkompliziertere Formen, während sich das Skalpell aufgrund seiner kleinen Klinge und Schärfe besonders bei den Feinheiten als sehr nützlich erweist. Trotzdem oder auch grade deshalb gilt bei der Arbeit mit scharfen Gegenständen — immer auf die Finger aufpassen!

Der Filzstift dient mir zum Schwärzen der Schnittkanten. Dies mag für viele euch nach einer unnötigen Arbeit klingen, einer Aufgabe, die im Grunde ausgelassen werden kann. Durch die eingefärbten Kanten wirkt das Modell jedoch hinterher deutlich plastischer und realitätsnaher, weshalb ich euch empfehle diesen Schritt nicht wegzulassen.

Im Kartonmodellbau nutze ich immer Kleber mit Lösungsmitteln. Kleber ohne Lösungsmittel weichen die Kartonteile häufig stark auf und lassen infolgedessen das Papier wellig werden. Achtet bei der Arbeit mit einem Kleber mit Lösungsmitteln aber bitte darauf in einem gut gelüfteten Raum zu arbeiten!

4. Baubericht mit Bildern

Starten wir jetzt mit dem Bau des Modells. Hierbei beginne ich mit den tragenden Teilen, in unserem Fall handelt es sich um den Brustschutz, der die Bauteilnummern 1 und 2 hat.

Wie ihr sehr besteht der Brustschutz aus zwei Bauteilen. Das Element mit den weißen Markierungen wird später unsere Außenseite sein, während das andere Teil die Innenseite des Panzers darstellt.

Um ein zusammenhängendes Bauteil zu erhalten, klebe ich die beiden zuvor ausgeschnittenen Teile links auf links (jeweils mit den weißen Seiten) leicht versetzt aufeinander. Auf diese Weise entsteht automatischauf beiden Seiten ein kleiner Überstand, der später als Klebelasche dient.

Jetzt haben wir ein Brustelement vor uns liegen, das auf beiden Seiten die schöne Metall-Textur zeigt. Abschließend färbe ich alle Schnittkanten mit dem Filzstift schwarz ein.

Als nächstes biege ich den Karton leicht oval und klebe die beiden Klebelaschen zusammen. Wie ihr seht, fällt sehr schön auf, dass sowohl die Außen- als auch die Innenseite die schöne Metalltextur aufweisen.

Anschließend werden über den Klebekanten innen und außen die beiden braunen Lederstreifen mit den Bauteilnummern 1a und 2a (die Schnittkanten vorher wieder schwarz färben) angeklebt.

 

So sieht mein Brustschutz jetzt von vorne betrachtet aus.

Als Nächstes werden die weißen Markierungen auf dem Panzer durch die ausgeschnittenen Riemen und Schnallen ersetzt.  

 

Zuerst schneide ich die einzelnen Bauteile der Lederbänder und der Schnallen (1b und 1c) aus und färbe die Schnittkanten schwarz ein.

 

Die zurechtgeschnittenen und mit dem Filzstift präparierten Teile kleibe ich nun Stück für Stück auf das Brustteil auf. Wichtig ist, dass zuerst die unten liegenden Riemen (1b) angebracht werden. Erst danach werden die Riemenenden mit den Schnallen (1c) darüber aufgeklebt.  

 

So sieht der Panzer mit den aufgeklebten Riemen und Schnallen aus. Wie ihr sehen könnt, wirkt der Brustschutz aufgrund des Höhenunterschieds der Details deutlich plastischer als zuvor.

Als nächstes folgt der Kragenschutz.

 

Der Kragenschutz  besteht aus mehreren Bauteilen (3, 3a, 3b, 4, 4a, 4b).

Wie schon beim Brustschutz klebe ich zuerst die Teile 3 und 3a sowie 4 und 4a mit den weißen Seiten zusammen, um sowohl auf der Innen- als auch auf der Außenseite die schöne Metalltextur zu erhalten. Im Anschluss werden erneut alle Schnittkanten schwarz eingefärbt.

 

So sieht mein Kragenschutz jetzt aus.

Im nächsten Schritt werden beide Teile jeweils bei den Markierungen für die Schulterscharniere leicht gebogen oder geknickt, bis eine sanfte Rundung entsteht.

Im nächsten Schritt klebe ich die Details 3b und 4b (sowie die Scharniere), auf die gleiche Weise wie beim Brustschutz, auf die weißen Markierungen des Kragenschutzes.

 

Nachdem ich alle Details auf den Kragenschutz geklebt habe, biege ich die vorherigen Knicke noch einmal leicht nach und klebe ihn anschließend vorne und hinten am Bruststpanzer fest.

Das ist mein Zwischenergebnis. Wie ihr sehen könnt, ist die segmentata als solche bereits gut zu erkennen.

Widmen wir uns nun also dem Schulterschutz.

Beim Schulterschutz beginne ich mit den obersten Platten (5, 5a, 6, 6a) und ergänze die Anderen von oben nach unten. Ich beginne, indem ich jeweils die Teile 6 und 6a sowie 5 und 5a zusammenklebe. Auf diese Weise erhalten wir erneut zwei Teile mit jeweils zwei schön texturierten Seiten. Denkt bitte daran, dass ihr jetzt wie üblich die Schnittkanten mit dem schwarzen Filzstift einfärbt.

Als nächstes knicke ich die beiden Schulterplattenteile vorsichtig an den jeweiligen Scharnierlinien bis sie eine leichte Rundung aufweisen. Dann schneide ich die vier dazugehörenden Scharniere aus, färbe die Schnittkanten erneut schwarz und knicke sie ebenfalls leicht in der Mitte.

Zu guter letzt klebe ich die Scharniere auf die Markierungen und knicke die beiden Platten im Anschluss erneut vorsichtig.

Jetzt platziere ich die beiden Platten auf dem Schulterschutz und klebe sie vorsichtig fest. Die Platten sollten einmal auf der Schulter und jeweils am unteren inneren Ende befestigt werden, damit sie ihre Form gut halten.

Als nächstes benötige ich die Bauteile 7, 7a, 8, 8a, 9, 9a, 10, 10a, 11, 11a, 12, 12a, 13, 13a, 14, 14a für den restlichen Schulterpanzer. Wichtig ist hierbei, dass alle geraden Zahlen eine Schulter schützen und die Ungeraden die andere.

Alles funktioniert nach dem bekannten Prinzip. Zuerst klebe ich zwei gleiche Teile links auf links aufeinander, sodass ich hinterher für beide Schultern jeweils 4 Rüstungsplatten mit beidseitig schönen Texturen habe. Dann werden die Schnittkanten erneut schwarz eingefärbt.

Am Besten legt ihr die einzelnen Schulterplatten bereits nach graden und ungeraden Zahlen sowie der Größe sortiert (wie auf dem Bild dargestellt) vor euch auf den Tisch. Das erleichtert euch den nächsten Schritt, das Anbringen der Teile.

 

Beim Kleben ist es euch überlassen, ob ihr eine Seite nach der anderen anbringt oder immer an beiden Seiten parallel arbeitet.

Zuerst nehme ich einen der beiden größten Streifen (7 und 8) und knicke ihn vorsichtig an zwei Stellen, sodass der Panzerstreifen eine leichte Rundung erhält. Anschließend befestige ich den Streifen so unter den bereits zuvor angeklebten Schulterpanzerstreifen, dass der obere den unteren etwas überlappt und keine Lücke entsteht. Danach folgt der zweitgrößte und so weiter, bis alle vier Streifen angebracht sind.

Und schon ist die lorica segmentata fertig!

Mir hat dieser Exkurs sehr viel Spaß gemacht, wie sieht es bei euch aus? Habt ihr euch auch einen eigenen kleinen Schienenpanzer gebaut?

Natürlich gehören zu einer richtigen Legionärsausstattung nicht nur eine Rüstung, sondern auch ein Schwert (gladius) und ein Militärgürtel (cingulum), an dem der Dolch (pugio) befestigt war.

Ich, Oliver, alias Qvintvs Flavivs Alpinvs, lade euch herzlich ein auch bei diesen Bauberichten wieder vorbeizuschauen und eure kleine persönliche Legionärsausstattung zu vervollständigen.

Valete!