Was sind eigentlich Fibeln?

14.04.2023 Josef Mühlenbrock

Die meisten Menschen werden bei dem Wort „Fibel“ vermutlich an ein Schulbuch zum Lesen lernen mit vielen Bildern denken. In der Archäologie meinen wir jedoch etwas ganz Anderes damit. Warum Fibeln so spannend sind und wofür sie benutzt wurden, erfahrt ihr in unserem neusten Blogbeitrag.

Aucissafibel.

Römer, Kelten und Germanen besaßen noch keine Kleidung mit Reißverschlüssen oder Knöpfen wie wir sie heute kennen. Sie alle benutzten Fibeln um beispielsweise ihren Mantel oder Umhang zu verschließen. Die Funktionsweise kann man sich in etwa wie bei Sicherheitsnadeln vorstellen, die Nadel durchbohrte den Stoff und wurde dann im sogenannten Nadelhalter arretiert. Bei uns im Museum lassen sich viele verschiedene Fibeln finden, wie etwa dieses Exemplar des Aucissa Typs:

Zeichnung einer Aucissafibel aus Eisen.

Ihren Namen erhielt die Fibel dadurch, dass sich auf manchen Stücken der Herstellername eingestempelt befand „AVCISSA“. Wenn sich Objekte entwickeln, sprechen Archäolog:innen von Typologien oder Typen.

Man stelle sich beispielsweise drei Autos vor, allesamt VW Golf Modelle jedoch aus unterschiedlichen Baujahren. Anhand der typischen Formen und Proportionen wüssten viele Autofans, welcher der Wagen der Jüngste und welcher der Älteste ist. Die Golfreihe ist also unsere Typologie, der Golf I ist unser erster Typ und wurde in den Jahren 1974-1983 hergestellt. Der Golf VIII ist der bisher jüngste Typ und wird seit 2019 hergestellt.

So auch mit unserer Aucissafibel, im Museum besitzen wir beispielweise einen gegitterten Typen, welcher leider nicht vollständig erhalten ist. An dem gewölbten Bügel erkennt man jedoch den Unterschied zu dem Exemplar weiter oben.

Gegitterten Aucissafibel.
Zeichnung einer vollständigen gegitterten Aucissafibel.

Wozu nun das Ganze?

Nun, seht euch in dem Zimmer um, in welchem ihr euch befindet und schaut euch eure Kleidung an. Was von den Dingen und Gegenständen die euch umgeben, könnte in 2000 Jahren noch erhalten sein? Alles Organische, also aus der Natur stammende, höchstwahrscheinlich nicht. Dazu gehören etwa Holz, Stoff, Papier und Leder. Die Römer kannten noch kein Plastik und keine Kunststoffe, also bleibt uns von ihrer Lebenswelt vor allem Metall und Keramik übrig. Fibeln bestanden aus Buntmetall wie Bronze, gelegentlich auch aus Eisen, Silber oder in seltenen Fällen sogar Gold. Der Aucissatyp wurde zu Zeiten des Kaisers Augustus zunächst in Massen für die Legionäre hergestellt und wurde später auch von der Zivilbevölkerung getragen. Die Fibel wurde bis zur Hälfte des 1. Jahrhunderts getragen und verschwand erst allmählich gegen Ende des Jahrhunderts. Wenn Archäolog:innen also Aucissafibeln während einer Ausgrabung finden, ist dies ein Hinweis auf einen Ort an dem sich Legionäre aufgehalten haben könnten.

Da wir ebenfalls wissen, dass die Fibel besonders im 1. Jahrhundert beliebt war, können wir grob einen Zeitraum für den Fundplatz eingrenzen. So funktioniert (stark vereinfacht) Datierung, bei welcher uns Fibeln helfen können.

 

Darüber hinaus können manche Exemplare auch ein echter Augenschmaus sein, wie dieses Silbervergoldete Exemplar aus unserem Museum zeigt.

Omegafibel.

Neben den Aucissafibeln lassen sich noch zahlreiche weitere Typen benennen.

Diese Omegafibel beispielsweise erhält ihren Namen durch ihre Form, welche dem griechischen Omega ähnelt. Sie verfügt über einen Drehverschluss, dank ihrer frei beweglichen Nadel. Der sehr beliebte Typ würde von der frühen Kaiserzeit bis in das 4. Jahrhundert getragen, eine Seltenheit!

Nauheimerfibel.

Diese Nauheimerfibel stammt ursprünglich aus der späten Eisenzeit, also der Zeit vor der Ankunft der Römer und ist keltischen Ursprungs. Dieser Typ wurde an vielen römischen Fundstellen gefunden und zeichnet sich durch seine einfache Konstruktion aus. Eine Spirale mit vier Windungen sorgt hier für die Zugkraft, welche die Nadel im Nadelhalter arretiert.

Distelfibel.

Die Distelfibel erhält ihren Namen durch die runde Zierscheibe nahe des Fibelfußes, welche oft über Dekorelemente in der Form einer Distelblüte verfügt. Es ist anzunehmen, dass der Typ ausschließlich Teil der Frauentracht war. Die Elemente einer Tracht lassen sich durch Grabfunde und bildliche Darstellungen auf Grabreliefs identifizieren. Die Distelfibel war vom rechtsrheinischen Raum bis nach Gallien verbreitet und steht wie die Nauheimerfibel ebenfalls in einer einheimischen Tradition.

Zeichnung einer Distelfibel. Schön erkennbar: Die distelblütenartige Zierplatte.

Ihr seht also, wie unterschiedlich und vielfältig die kleinen unterschätzten Accessoires sein können und was sie uns über vergangene Zeiten erzählen können. Fest steht, von Frauen bis zu römischen Legionären, überall wurden sie in den römischen Provinzen und Haltern getragen. Werft doch bei eurem nächsten Besuch im Römermuseum mal einen Blick in die Vitrine der Ausrüstungsgegenstände, dort findet ihr auch unsere Fibeln.

 

 

 

Felix Knauff

Schlagworte: Legionäre · Digitale Kultur · Fibel